„Schafft Norddeutschland die Energiewende?“ – Ein Vortrag von Minister a.D. Dietrich Austermann

Im Zeichen des Semesterthemas „Energie“ stand auch der Vortrag von Herrn Dieterich Austermann, von 1982 bis 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages für die CDU und anschließend bis 2008 Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr in Schleswig-Holstein. Er sprach auf unserem Haus über die Energiewende in Deutschland im Allgemeinen und über die Probleme und Perspektiven in Norddeutschland im Besonderen. Als Minister war er oft mit den Fragen des Baus von Kraftwerken, der Erschließung alternativer Energiequellen und des Netzausbaus konfrontiert.

Neben Sachinformationen, die den Zuhörern aus den Nachrichten und der eigenen Stromrechnung weitgehend bekannt waren, erzählte Herr Austermann auch die eine oder andere Anekdote aus der Riege der Entscheidungsgremien.

Zur Sprache kam in diesem Zusammenhang der Bau von Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein: Durch die höchst attraktiven Subventionen und Vergütungsmodelle schaffte die Politik auf diesem Gebiet Anreize für die Landwirte, ihre brachliegenden Flächen mit Windrädern zur Energieerzeugung zu bestücken. Der Clou: Die Grundstückseigentümer erhalten die Vergütung auch dann, wenn die vom Windrad produzierte Energie nicht abgenommen wird. Das liegt daran, dass die Stromnetze nicht entsprechend den Windkraftanlagen ausgebaut wurden, es kommt zu einer Art „Stromstau“. Deshalb wird der überschüssige Strom zu Schleuderpreisen in die Niederlande geliefert, während der deutsche Verbraucher die Mehrkosten trägt. Dabei bezieht Schleswig-Holstein in Zeiten der Windstille teilweise Energie für teures Geld aus gerade diesen Niederlanden. Erforderlich wurde es durch die Abschaltung der Atomkraftwerke Stade, Krümmel und Brunsbüttel, denn der Aufbau der Hochspannungsnetze zum Abtransport und der Energiespeicherkraftwerke zur Speicherung und Nutzung der von den Windrädern im Überfluss produzierten Energie ist bisher am Widerstand der betroffenen Bürger (unter anderem gerade der Landwirte, die die Windräder betreiben) gescheitert. Kritisiert wurde auch der Bau der Hochsee-Windkraftanlagen, der bereits angelaufen ist, bevor überhaupt ein entsprechendes Konzept zum Netzausbau entwickelt wurde.

Die Perspektiven für Norddeutschland seien schwierig zu beurteilen, so Austermann. Jedenfalls sehe er den übereilten Atomausstieg insofern kritisch, als die alternativen Energiequellen noch nicht so weit erschlossen sind, dass sie die Grundlastversorgung in einem Industrieland wie Deutschland leisten könnten. Schlussendlich komme es laut Austermann auf den guten Willen und die Fähigkeit der Politiker an, die in bestimmten Kreisen der Bevölkerung unpopulären Maßnahmen wie den Bau von neuen Stromleitungen durchzusetzen. Daran fehle es leider oft.